Stone Raiders: Eine Band und keine Gang
Jean-Paul Bourelly, Will Cahoun und Darryl Jones haben sich zum Trio Stone Raiders zusammen getan und spielen am 23. Januar in der Fabrik.
Fabrik. Für Miles Davis war der Bassist immer das Rückgrat seiner Band. Für diesen Job heuerte der legendäre Jazztrompeter nur die besten Musiker an, die er bekommen konnte. 1983 fiel seine Wahl auf den erst 22 Jahre alten Darryl Jones aus Chicago. "Wir haben uns gegenseitig angetrieben, er schuf die Basis von dem, was wir spielten", hat Miles über Jones gesagt. In seiner Autobiografie räumte Miles Davis auch ein, dass er eifersüchtig auf Sting war. Denn der hatte auch von der enormen Musikalität des jungen Bassisten gehört und ihn für seine damalige Jazzband abgeworben. Eine Zeit lang spielte Darryl Jones sowohl für Sting als auch für Miles Davis. Später sicherten sich auch Madonna und Peter Gabriel die Dienste dieses Groove-Meisters.
Wer so viele Referenzen aufweisen kann, ist für die größte Rock'n'Roll-Band der Welt gerade gut genug. Seit 1993 ist Darryl Jones der Bassist der Rolling Stones. Nicht als vollwertiges Mitglied, aber wenn Jagger & Co. ins Studio oder auf Tour gehen, sorgt der schwarze Amerikaner zusammen mit Charlie Watts für das rhythmische Fundament der Stones. Eigentlich eine naheliegende Entscheidung, einen Afroamerikaner in die Band zu holen, denn die Basis der meisten Stones-Songs ist der Blues, und der wurde nun mal von Schwarzen kreiert. Nicht auszuschließen, dass - wenn nicht nur Bill Wyman, sondern auch Charlie Watts die Band verlassen hätte - Jagger und Richards sich auch einen schwarzen Schlagzeuger geholt hätten.
Nun sind die Rolling Stones schon länger nicht mehr auf Tour gewesen, ein neues Album haben sie auch nicht aufgenommen. Zeit genug also für den Mann von der South Side in Chicago, sich nach anderen Spielmöglichkeiten umzusehen. Eine hat er in einem Trio mit dem Gitarristen Jean-Paul Bourelly und dem Schlagzeuger Will Calhoun gefunden. Auch Bourelly hat mit Miles Davis und anderen berühmten Jazzmusikern wie Elvin Jones, Pharoah Sanders oder McCoy Tyner gearbeitet. Schlagzeuger Will Calhoun war Mitglied bei der schwarzen Power-Rockband Living Colour, hat für diverse Jazzer genauso getrommelt wie für Hip-Hop-Künstler, selbst Harry Belafonte holte den Mann aus der New Yorker Bronx in seine Band. Dieses Trio nennt sich Black Stone Raiders beziehungsweise seit Kurzem nur noch Stone Raiders.
Zu der Namensänderung haben sich die drei Musiker entschlossen, nachdem sie erfahren hatten, dass eine schwarze Straßengang aus Chicago diesen Namen geführt hat. Zufälligerweise trieb sie an der South Side ihr Unwesen, dem Teil von Chicago, in dem Darryl Jones aufgewachsen ist. Mit den gewalttätigen Aktivitäten dieser Bande wollte das Trio nichts zu tun haben, doch auf seinem auf dem deutschen Enja-Label erschienenen Album "Truth To Power" spielt das Schwarzen-Getto eine wichtige Rolle. Das Cover zieren zwei Fotos des ebenfalls aus der South Side stammenden renommierten Fotografen Eric Werner. Sie zeigen im Regen spielende schwarze Kinder und eine Straßenszene aus der South Side. In den kurzen Songtexten benutzen die Musiker Schlüsselwörter der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung wie "power", "spirit" und "truth" (Macht, Bewusstsein und Wahrheit), sie kritisieren Geld und Gier als Krankheit. Es gibt keine explizite Bestandsaufnahme des täglichen Lebens wie in vielen Rap-Texten und auch keine pädagogischen Aufforderungen, zur Schule zu gehen, statt Drogen zu verkaufen; die Stone Raiders erinnern an ein Wertesystem, das den Afroamerikanern in den 60er-Jahren ein neues Selbstbewusstsein gab.
Auch musikalisch weist der Blick der Stone Raiders zurück bis in die 60er-Jahre. Jean-Pierre Bourelly, in Chicago geboren und Sohn haitianischer Einwanderer, gilt als herausragender Gitarrist, der das Erbe des 1970 gestorbenen Jimi Hendrix mit seinem wilden und rauen Stil weiterführt. Nummern wie "Calling Civilization" oder "Power To Spirit" sind Improvisationen im Geiste von Hendrix, der sich ebenfalls am liebsten im Trio austobte. Aber auch Hendrix war nichts ohne seine Rhythmusgruppe. Erst die harten Beats von Calhoun und der lässig groovende Bass von Darryl Jones machen aus den Stone Raiders eine Weltklasse-Combo.
Stone Raiders Mo 23.1., 21.00, Fabrik (S Altona), Barnerstraße 36, Karten 25,-
Hamburger Tageblatt: